Heringe für Jurtenburgen und andere Großbauten

Abspannungen von Jurtenburgen erzeugen schnell recht große Zugkräfte. Um diese abzufangen und zu halten, müssen passende Verankerungen bzw. Heringe besorgt werden.

Was gibt's im Handel?

Schnell wird klar, dass handelsübliche Ware ganz unabhängig von der Bodenbeschaffenheit untauglich ist. Aber gehen wir die einzeln Varianten einmal kurz durch:

  1. US Army Zelthering
    Material: leichtes Magnesium Aluminium
    Materialstärke: ca 3mm
    Länge: max. 40 cm (je nach Ausführung)
    Breite: 40 mm bzw. 25 mm pro Schenkel
  2. T-Hering, T-Profil-Hering, Sicherheitshering T-Profil
    Material: Stahl
    Materialstärke: 3 mm
    Länge: max. 50 cm
    Breite: 20 x 20 mm
  3. Zeltnagel
    Material: Stahl"draht"
    Durchmesser: 5 - 8mm
  4. Zeltpflock, Zeltanker
    Material: Stahl Massiv
    Durchmesser: ca. 20mm
  5. Holz-, Kunststoff- Blechheringe usw.
  6. Nato Alu-Sandhering
    Material: Alu Druckguss
    Materialstärke: ca. 3mm
    Länge: 28cm
  7. BW Stahlhering
    Material: Stahl
    Materialstärke: 3mm
    Länge: ca. 35cm
    Breite: 20 x 20mm

T-Heringe (1) Army-Heringe (2) und BW-Stahlheringe (7) sind für den normalen Gebrauch sehr gut und stabil. Sobald der Boden aber härter wird, zeigen sich erste Verbiegungen bereits beim Einschlagen. Setzt man sie größeren Kräften aus (z.B. auch nur durch eine 3-er-Jurte) kann es schon zu Verbiegungen durch die Zugkraft kommen.
Und hat der Hering soweit noch seine Form behalten, so hält er dann meist im Boden nicht mehr lange, sondern wird samt Erdreich herausgerissen auf Grund seiner zu kleinen Bauform. Dieser Hering ist für den Normalen Kohten- oder Jurtenaufbau gedacht. Er findet bei Jurtenburgen höchstens an niedrigen Seitenabspannungen Verwendung.

Zeltnägel (3), wie man sie eher von Camping- oder Wurfzelten kennt, sind extrem stabil. Hier ist kaum mit Verformungen zu rechnen. Aber: diese sind in der Regel nicht für Seitwärtsbelastungen vorgesehen, sondern "nur" zum Fixieren des Gestänges an einer bestimmten Stelle. Die Hauptkraft wirkt bei diesen Zelten senkrecht auf den Boden. Damit sind sie für Jurtenburgen eher uninteressant.

Zeltpflöcke bzw. -anker (4), wie man sie von Zirkuszelten kennt, sind extrem stabil. Hier ist kaum mit Verformungen zu rechnen. Aber: diese sind in der Regel nicht für Seitwärtsbelastungen vorgesehen, da sich ihre Runde Form und der vergleichsweise geringe Querschnitt leicht durch den Boden schneiden. Sie sind eher zum Fixieren des Gestänges an einer bestimmten Stelle vorgesehen. Wie zum Beispiel die Grundplatte eines Stützfußes der gegen verrutschen am Boden Fixiert wird. Die Hauptkraft wirkt bei diesen Zelten senkrecht auf den Boden. Damit sind sie für Jurtenburgen eher uninteressant.

Alle anderen Heringsvarianten aus unseren Materialräumen, wie die Holzheringe, Blechheringe (5), Nato Alu Hering (6) usw., schieden bereits von Vornherein aus, da sie schon mit normalen Zelten zu kämpfen haben und von Zeit zu Zeit den Kräften erliegen.

Doch was heißt "passend"?

Über Recherchen und Gespräche mit Statikern stand eine erste Anforderung schnell fest: unter 50 cm geht gar nix. Damit ein Hering überhaupt vernünftig im Boden verankert ist, muss er mindestens einen halben Meter tief im Erdreich stecken. Somit ist er gegen leicht wechselnde Krafteinwirkung (z.B. Wind) und gegen "Spielkinder" gesichert. Die FlBauR sieht sogar 1m Tiefe vor.

Hat der Hering dann auch eine angemessene Breite, kann er auch einer seitlichen Belastung standhalten, weil der Widerstand zwischen ihm und dem Erdreich groß genug ist.

Eine Schwachstelle gibt es jetzt noch: die letzten Zentimeter. Was hilft ein feststeckender, breiter Hering, wenn der über der Erde befindliche Rest bei Belastung abknickt oder abbricht? Dies ist vor allem bei selbst geschnitzten Holzplöcken oftmals der Fall, da diese nur schwer bis gar nicht beschädigungsfrei eingetrieben werden können und druch ein aufspreiseln stark geschächt werden. Von dieser Heringsform ist beim Bau von Jurtenburgen dringend abzuraten.
Hier ist die richtige Wahl von Querschnitt, Materialstärke und Materialbeschaffenheit gefragt. Relativ formstabil sind T-, V- und L-Profile bzw. runde Querschnitte. Letzter scheiden jedoch mangels Breite/Widerstand im Boden eher aus.

Eigenproduktion

Relativ bald wurde uns klar, dass diese Anforderungen kein handelsüblicher Hering erfüllt. So genannte Anschlag- oder Ankerplatten wie es für die oben beschriebenen Zeltplöcke oder Erdnägel (4) gibt, wären eine Alternative gewesen. Allerdings hätte dies die Anschaffung einer großen Menge Erdnägel / Zeltplöcke zur Folge gehabt, was nur schwer finanzierbar war. So beschlossen wir die Eigenproduktion.

Material pro Hering:

  • 1 m L-Profil-Stahl, 60 mm Schenkellänge
  • 1 M10-Schraube samt Mutter als Wegrutschschutz

Der entscheidende Vorteil war beim Bau der Heringe mit Schraube als Rutschsicherung:

  1. Nicht schweißen zu müssen.
  2. Eine 100%-ige Verbindung mit dem Material.
  3. Von kleineren Heringen kannten wir, dass solche Rutschnasen anfällig gegen Verbiegen, Abbrechen oder Ähnlichem waren. Die Idee der Schraube als Rutschsicherung würde die Reparatur eines Herings schnell, einfach und unkompliziert machen (ggf. sogar auf Lager).

Die Praxis zeigt, dass die Schraube eine praktikable Lösung ist. In erster Linie entsteht an dem Hering eine Zugbelastung nach vorne. Eine mögliche Scherbelastung entsteht nur dann wenn die Abspannleinen zu kurz sind und man mehr oder weniger "senkrecht" nach oben abspannt. Dann wären der Schraube sicherlich eher Grenzen gesetzt. Doch das gilt es ja ohnehin von vornherein zu vermeiden.

Update Juli 2017:
Bedingt durch unseren Einsatz von Kevlarseilen an den großen Heringen, mussten wir feststellen, dass die L-Form ein Nachspannen und "Herumrutschen" des Seiles um den scharfen Winkel des Herings nur schwer ermöglicht. Während normale Polypropylenseile durchaus geschmeidig um die Ecke gehen, ist das dazu steife Kevlar schwieriger zu handhaben. Daher wurde der Heringstyp mit einem halben Rundrohr aufgerüstet, so dass sich Seile auch unter großem Druck gut nachspannen lassen. Siehe hierzu auch die Bilder 09+10 oder das AK Treffen 07 der Krabatmühle.

Eine Oberflächenversiegelung der Heringe wurde bewusst nicht aufgebracht. Zwar beginnt der Hering mit Zeit leicht das Rosten, doch erhöhen sich durch die rostende Oberfläche die Adhäsionskräfte des Herings im Boden, was eine höhere Festigkeit bedeutet.

 

Bilder der Produktion beim 7. AK Treffen der Jubiläumslager-Jurtenburg